Wie du Über- und Unterforderung ein Ende setzt: Schwierigkeitsgrade bei Klettersteigen

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Wir schreiben den 1. Weltkrieg, irgendwo an der Alpenfront zwischen Österreich und Italien. Die Patrouille bringt Nachschub an Waffen und Lebensmitteln. Der Zugang ist hochalpin und gefährlich – mit dem schweren Gepäck auch für ausgebildete Soldaten jedes Mal ein Kraftakt.

So begann die Geschichte der heute so beliebten Klettersteige.

Klettersteigtouren können sehr viel Spaß machen. Sie sind so beliebt, weil auch Wanderer, die keine Klettererfahrung haben, felsige Routen in alpinem Gelände gehen können. Das Naturerlebnis und spektakuläre Ausblicke, verbunden mit der sportlichen Herausforderung, machen Klettersteige immer populärer.

Dabei ist es allerdings wichtig, die richtige Tour für dein Können zu wählen. Bei der Auswahl solltest du eher defensiv vorgehen – also im Rahmen dessen, was du GUT bewältigen kannst.

Unsere einfach zu lesende Schwierigkeitsskala hilft dir bei der Auswahl der richtigen Tour. So kannst du sicherstellen, dass dein Klettersteig-Erlebnis perfekt wird.

Egal, ob du ein Anfänger oder ein erfahrener Kletterer bist, es gibt unglaublich viele Touren – auch für dein Level. Finde mit diesem Beitrag jetzt heraus, welcher Klettersteig zu dir passt.

Ausrüstungstipps für deine Klettersteigtour findest du hier.

Du suchst eine Schwierigkeitsskala für Wanderungen? Die findest du hier. Alles zu den Levels beim Wandern findest du in diesem Beitrag.

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4 verschiedene Klettersteigtypen

Klettersteig ist nicht gleich Klettersteig. Welcher der Richtige für dich ist, hängt davon ab, was du von deiner Tour erwartest.

Klassischer alpiner Klettersteig

Auf klassischen alpinen Klettersteigen tauchst du in alpines Gelände ein. Diese Routen führen über Wände und Grate und erfordern einiges an Geschick und auch Sicherheitsausrüstung. Der Zustieg ist meist etwas länger. Ziel ist oft ein Gipfel. Elemente wie Seilbrücken oder Rutschen sind eher selten zu sehen. Schwierige Passagen werden allerdings mit Leitern oder Eisenstiften vereinfacht.

Ein alpiner Klettersteig erfordert Planung und Überlegung. Gewitter, starke Wetterumschwünge und Schwierigkeiten beim Ab- und Aufstieg müssen einkalkuliert werden. Auch die Gesamtlänge der Tour muss gut abgeschätzt werden. Dafür liegt der Schwierigkeitsgrad der meisten alpinen Klettersteige eher im unteren bis mittleren Bereich.

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Sportklettersteig

Bei dieser Art geht es weniger um die Bergerfahrung und die Nähe zum Berg. Der Zustieg ist oft relativ kurz und nicht zwingend in alpinem Gelände. Oft sind Sportklettersteige auch in Talnähe. Daher ist der Zu- und Abstiegsweg größtenteils einfach. Zielpunkt muss hier nicht zwingend ein Gipfel sein. Hier geht es mehr um die sportliche und mentale Erfahrung. Auch spezielle Attraktionen wie Seil- und Hängebrücken schmücken diese Art von Klettersteig.

Alpiner Sportklettersteig

Wenn wir die ersten beiden Arten zusammenwerfen, wird daraus der alpine Sportklettersteig – der schwierigste von allen. Ein unschlagbarer Adrenalinkick für Naturliebhaber und Abenteurer.

Diese Klettersteige befinden sich in alpinem Gelände und sind deshalb nur über entsprechende Zu- und Abstiege erreichbar. Zusätzlich sind die Steige selbst auch sportlich aufgebaut und mit verschiedenen Highlights versehen.

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Fun-Klettersteig

Dann gibt es noch die Fun-Variante des Klettersteigs. Die ersten dieser Art gab es in den französischen Alpen. Sie befinden sich in Talnähe, nah an einer Seilbahn oder einer Zufahrtsstraße. Der Verlauf der Steige ist oft spektakulär bis verrückt. Artistische Elemente wie Netze, Brücken, Rutschen und so weiter bieten Klettersteig-Touristen den besonderen Kick.

Bergerfahrung ist dafür nicht nötig. Allerdings solltest du trotzdem auf die Schwierigkeitsgrade und Sicherheitsvorschriften achten.

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„Einmal Schwierigkeiten bitte …“

Für die Soldaten im Ersten Weltkrieg war es ein unvermeidbares Übel. Heute lieben wir die Herausforderung, die ein Klettersteig mit sich bringt.

Die Schwierigkeiten, die in einem Steig überwunden werden müssen, wurden schon mehrmals in Kategorien eingeteilt. Es gibt leider keine allgemeingültige Skala für die Schwierigkeitsgrade. Allerdings haben sich zwei Skalen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz durchgesetzt:

Die Schall-Skala

Eine davon ist die „Schall-Skala“ von dem Österreicher Kurt Schall. Er ist Inhaber und Geschäftsführer des Schall-Verlages (Bergbücher und alpine Führerliteratur in Österreich). Er hat unter anderem den Klettersteig-Atlas Österreich herausgebracht. Seine Skala geht von A bis F:

  • A (leicht): Einfache, gesicherte Wege mit teilweise kurzen, exponierten, aber gut versicherten Stellen.
  • B (mäßig schwierig): Abschnittsweise steileres und ausgesetztes Felsgelände. Senkrechte, längere Leitern und Tritte.
  • C (schwierig): Steiles bis sehr steiles Felsgelände. Ausgesetzte Passagen mit kleinen Tritten.
  • D (sehr schwierig): Senkrechtes, oft überhängendes und äußerst ausgesetztes Gelände mit oft weit auseinander liegenden Klammern. Viel Armkraft und gute Technik nötig.
  • E (extrem schwierig): Hauptsächlich überhängendes Gelände mit extremer Anforderung an Kraft und Moral. Nur für sehr erfahrene Klettersteig-„Profis“.
  • F (extrem schwierig +): Überwiegend überhängend. Viel Reibungskletterei. Nur für Kletterer, die kein Problem mit Schwierigkeitsgrad E haben. Bisher noch relativ selten, wird allerdings immer beliebter.
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Die Hüsler-Skala

„Wandern vertikal“ so nannte der „Klettersteig-Papst“ Eugen E. Hüsler sein Buch über viele der Schweizer Klettersteige. Mit der Herausgabe dieses Buches schuf er auch eine anerkannte Schwierigkeitsskala: die „Hüsler-Skala“.

Er hat über Jahrzehnte unzählige Klettersteigführer geschrieben, sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene Bergsteiger.

Wer gerne einmal in die Vergangenheit eintauchen möchte, kann die alten Kriegspfade sogar noch gehen. Hüsler hat sie in seinem Buch „Auf alten Kriegspfaden und -steigen durch die Dolomiten“ beschrieben.

Die von ihm erstellte Skala hat sich hauptsächlich in der Schweiz durchgesetzt. Die Schwierigkeitsgrade werden mit K – für Klettersteig 1-6 bezeichnet:

  • K1 (leicht): Gesicherte Wanderwege, befestigter Steig mit guter Sicherung und Tritten.
  • K2 (mittel): Teilweise kurze, steilere Passagen. Diese sind mit Bügeln oder Leitern entschärft.
  • K3 (ziemlich schwierig): Strecke verläuft teilweise in steilem, auch ausgesetztem Felsgelände, ist aber gut gesichert.
  • K4 (schwierig): Steiles Gelände mit senkrechten und kurz überhängenden Stellen, oft große Ausgesetztheit und häufiger kleine Tritte und Griffe.
  • K5 (sehr schwierig): Lange, anstrengende Steilpassagen. Wenig künstlich angelegte Trittpunkte an senkrechten und leicht überhängenden Passagen.
  • K6 (extrem schwierig): Höchstens noch ein Stahlseil, meist komplett ohne Tritthilfen, sehr steile bis überhängende und sehr anstrengende Klettersteige.

Zusätzlich gibt es noch das Hüsler-Klettersteigkreuz. Es soll bei der Differenzierung des Anspruchs in den verschiedenen Kategorien helfen. Mehr dazu unter Schwierigkeitsgrad und Gesamtanspruch.

Hier die Schwierigkeitsgrade von Hüsler und Schall in einer Skala zusammengefasst:

SchallHüslerSchwierigkeitGeländeSicherungKönnenAusrüstung
AK1leichtFlach bis steil, felsig oder felsdurchsetzt, natürliche TritteDrahtseil, Ketten, Eisenklammern, vereinzelte kurze LeiternTrittsicherheit und SchwindelfreiheitKlettersteigausrüstung empfohlen
BK2mäßig schwierigSteileres Felsgelände, teilweise kleine Tritte, ausgesetzte StellenDrahtseil, Ketten, Eisenklammern, Trittstifte, längere evtl. senkrechte Leitern. Schwierigkeiten ohne Sicherungselemente bis III (UIAA)Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, gute Kondition, etwas Kraft und Ausdauer in Armen und BeinenKlettersteigausrüstung empfohlen
CK3schwierigSteiles bis sehr steiles Felsgelände, meist kleine Tritte, längere und regelmäßig ausgesetzte PassagenDrahtseil, Eisenklampfen, Trittstifte, längere oder überhängende Leitern. Klammern und Stifte, teilweise in größeren Abständen. In senkrechten Abschnitten teils nur Drahtseil. Schwierigkeiten ohne Sicherungselemente bis IV (UIAA)Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, gute Kondition, Kraft und Ausdauer in Armen und BeinenKlettersteigausrüstung dringend empfohlen, ungeübte Kinder ans Seil nehmen
DK4sehr schwierigSenkrechtes, oft auch überhängendes Gelände, meist sehr ausgesetztDrahtseil, Eisenklammern und Trittstifte liegen oft weit auseinander. An ausgesetzten und steilen Stellen oft nur Drahtseil, längere senkrechte bis überhängende Stellen und kleinere Kletterstellen bis IIV (UIAA) möglichGenug Kraft in Armen und Händen um längere Kletterstellen durchhalten zu könnenKlettersteigausrüstung obligatorisch, teilweise Seilschaftsverband überlegenswert. Für Anfänger und Kinder nicht geeignet!
EK5extrem schwierigSenkrecht bis überhängend, durchwegs ausgesetzt, sehr kleine Tritte oder ReibungsklettereiDrahtseil, Eisenklammern und Trittstifte liegen vielfach weit auseinander. An ausgesetzten und steilen Stellen oftmals nur ein Drahtseil. Oft mit Kletterei kombiniertViel Kraft in Händen und Fingern, sowie in Armen und Beinen, erhöhtes Maß an Kondition, BeweglichkeitKlettersteigausrüstung obligatorisch. Seilschaftsverband überlegenswert. Für Anfänger und Kinder nicht geeignet!
FK6extrem schwierig +Primär überhängend, ausgesetzt, sehr kleine Tritte oder ReibungsklettereiDrahtseil, Eisenklammern und Trittstifte liegen vielfach weit auseinander. Kombiniert mit KlettereiGute Klettertechnik unabdingbar, viel Kraft in Händen und Fingern, sowie in Armen und Beinen, erhöhtes Maß an Kondition, BeweglichkeitKlettersteigausrüstung obligatorisch, Toprope Sicherung empfehlenswert. Nicht empfehlenswert für Personen, die den Schwierigkeitsgrad E nicht problemlos beherrschen
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Schwierigkeitsgrad und Gesamtanspruch

Wenn es darum geht, die Schwierigkeit eines Klettersteigs zu bewerten, werden die einzelnen Abschnitte individuell betrachtet.

So kann zum Beispiel eine mit C bewertete Route mit einer intensiven vertikalen Passage beginnen, danach ist die Tour aber durchgehend A oder B.

Eine andere führt mit anhaltend steilem Gelände über 400 Höhenmeter im Schwierigkeitsgrad C.

Genauso können sich zwei D-Routen in verschiedenen Höhenlagen oder an unterschiedlichen Orten in ihren Gesamtanforderungen stark unterscheiden und sollten nicht unbedingt gleich bewertet werden.

Um diese komplexen Zusammenhänge genau zu entschlüsseln, werden in Bergführern oft getrennte Bewertungen vorgenommen, die auf den Gesamtanforderungen der Tour basieren und nicht nur auf einzelnen Elementen.

Tipp!

Unser Tipp, um den Gesamtanspruch einer Tour bewerten zu können: Topos!

„Topos“ sind topografische Karten von Klettersteigen. Darin ist der komplette Steig schematisch aufgezeichnet. Alle Schwierigkeiten sind gekennzeichnet und mit Schwierigkeitsgraden versehen.

So kannst du abschätzen, wie viele schwierige Stellen auf dich warten und wo sie zu erwarten sind.

Was wir in unseren Rucksack für eine Klettersteigtour packen, zeigen wir dir hier

Andere Länder, andere Skalen

Wenn du in ganz Europa unterwegs bist, solltest du wissen, dass sich die Schwierigkeitsgrade je nach Land oder Region drastisch unterscheiden können.

Beispiel: In Deutschland ist nach der Schall-Skala „F“ der ultimativ schwierigste Klettersteig. In Italien und Frankreich steht „F“ allerdings für „facile“- einfach. Damit ist es dort der leichteste Steig.

Um dir den Skalen-Dschungel etwas zu erleichtern, haben wir dir eine Grafik mit der gängigen Beschilderung plus Farbskala in Europa erstellt:

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Hier kannst du dir die Schwierigkeitsskala als PDF herunterladen.

Fazit

Klettersteig gibt es in den verschiedensten Formen. Lege zuerst einmal fest, was für dich im Vordergrund stehen soll. Ist es die sportliche Herausforderung, der Spaß oder eher die Nähe zu Natur und Fels?

Je nach Land kannst du dann aus den Tabellen den für dich passenden Schwierigkeitsgrad auswählen und einen Steig in dieser Kategorie suchen.

Viel Spaß im Steig!

Du suchst eine Schwierigkeitsskala für Wanderungen? Die findest du hier. Alles zu den Levels beim Wandern findest du in diesem Beitrag.

Samuel und Anja: Autoren von Berginstinct
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