Hast du schon einmal Schopftintlinge gesammelt?
Dann ist dir vielleicht etwas Ähnliches aufgefallen wie uns beim ersten Mal:
Die Tinte!
Nichts ahnend, haben wir junge und etwas ältere Exemplare eingesammelt. Allerdings zerfließen ältere Schopftintlinge mit der Zeit als tintenartige Flüssigkeit!
Sie lösen sich als Tinte auf!! 🙂
Und das taten sie auch in unserem Baumwollbeutel…
Naja, wir haben jetzt einen neuen… 😉
In diesem Beitrag werden wir tiefer in die Tinte – ääh die Welt – der Schopftintlinge eintauchen.
Was macht diese Pilze so besonders? Warum kann man sie trotz Gift essen? Wie kannst du sie in der Küche verarbeiten?
Nachher hast du alles an der Hand, um selbst einmal auf Schopftintlingssuche zu gehen…
Die Botanik hinter dem Schopftintling
Der Schopftintling wird von den Fachleuten Coprinus comatus genannt. Er gehört übrigens zur Familie der Agaricaceae, also den Champignonverwandten.
Comatus bedeutet im Lateinischen „haarig“ oder „mit Haar bedeckt“. Sein haariger Hut hat ihm also seinen Namen gegeben.
Er wächst auf Wiesen und Feldern, aber auch am Waldrand und an Waldwegen. Nach dem Regen kannst du ihn oft in Gruppen finden. Besonders mag er nährstoffreichen Boden, die reich an organischem Material sind, wie alte Äcker oder kompostierte Erde.
Je nach Alter und Wachstumsbedingungen sieht dieser Pilz komplett anders aus. In der Anfangsphase hat der Hut eine eher zylindrische Form, die dann in eine Glockenform übergeht.
Und dieser Prozess dauert meistens nur wenige Tage!
Selbstauflösend – und weg ist er… 😉
Der Schopftintling ist besonders bekannt für seine Fähigkeit zur Selbstauflösung – die Autolyse.
Dieser Prozess beginnt, wenn der Pilz reift und anfängt, seine Sporen freizusetzen.
Das Ganze ist ein komplexer, chemischer Prozess: Enzyme, die im Pilz natürlich vorkommen, werden dabei aktiviert und fangen an, die Zellwände des Pilzes von innen heraus zu zersetzen. Diese Enzyme, besonders Proteasen und Chitinase, zersetzen das Chitin, das den Pilz fest und strukturiert hält.
Die Selbstauflösung ist eine ziemlich effiziente Methode, um Sporen freizusetzen. Die werden dann durch den Wind verbreitet und Fortpflanzung der Art ist sicherstellt.
Der Vorgang kann so schnell fortschreiten, dass vom Pilzhut innerhalb von ein paar Stunden kaum noch etwas zu sehen ist. Der Pilz verwandelt sich von einem festen Körper in eine tintenartige Flüssigkeit.
Nematophag – ein Fleischfresser!
Anja ernährt sich ja rein pflanzlich.
Aber sie isst Schopftintlinge – und die sind „Fleischfresser“! 🙂
What?
Ja, richtig gelesen. Bei Pilzen nennt sich so etwas auf „schlaubergerisch“ nematophag.
Diese Pilze ernähren sich zum Teil von abgestorbenem organischen Material. Und zum anderen Teil von Nematoden – Fadenwürmern!
Die Würmer leben im Boden. Der Pilz bildet er an seinem unterirdischen Myzel spezielle Fangorgane. Diese sehen aus wie kleine, stachelige Kugeln und dienen dazu, ein Toxin auszuscheiden, das die Nematoden lähmt.
Sobald die Nematoden unbeweglich sind, überwachsen sie die Hyphen des Pilzes, und der Schopftintling verdaut sie dann innerhalb von ein paar Tagen.
Toxin?
Gift?
Ja, das bringt uns zum nächsten Thema:
Giftig oder essbar?
Der Schopftintling enthält tatsächlich ein Gift. Und zwar Coprin.
Allerdings ist die Menge relativ gering (26 mg pro kg Frischgewicht). Deshalb sind Reaktionen auf dieses Gift relativ selten.
Allerdings gibt es trotzdem einzelne Berichte, die auf ähnliche Symptome wie beim Faltentintling hinweisen. Allerdings nach dem Verzehr von Schopftintlingen in Verbindung mit Alkohol. Das kann an den schwankenden Coprin-Werten durch verschiedene Umweltfaktoren und Wachstumsbedingungen liegen.
Grundsätzlich empfehlen wir, nach dem Essen von Schopftintlingen oder anderen Pilzen, die potenziell toxische Reaktionen auslösen können, keinen Alkohol zu trinken.
Achtung!
Bitte achte darauf, den Schopftintling nicht mit dem Faltentintling zu verwechseln!
Der Schopftintling enthält nur geringe Mengen an Toxinen und ist allgemein als sicher zum Verzehr bekannt. Wir würden trotzdem nicht unbedingt Alkohol dazu trinken.
Der Faltentintling enthält allerdings viel höhere Dosen an Coprin, das in Verbindung mit Alkohol zu ernsthaften gesundheitlichen Reaktionen führen kann. Typische Symptome sind eine starke Verfärbung der Haut von Rot bis Violett. Ohrläppchen und Nasenspitze bleiben dabei blass. Dazu kannst du auch Hitzegefühle, Herzklopfen oder Sprach- und Sehstörungen auftreten.
Die Vergiftung kann auch dann auftreten, wenn die Pilzmahlzeit und der Alkoholkonsum bis zu drei Tage auseinander liegen!
Wir essen deshalb gar keinen Faltentintling und raten auch ungeübten Sammlern dringend davon ab.
Raus geht’s – zum Sammeln
Schopftintlinge sammelst du am besten im Herbst. Die meisten wirst du kurz nach einem Regen finden. Sobald sie ein paar Tage alt sind und der Hut beginnt sich zu verflüssigen, solltest du sie stehen lassen.
Junge Schopftintlinge haben einen schneeweißen, eiförmigen Hut. Je älter sie werden, desto mehr öffnet er sich. Achte auf die feinen, haarähnlichen Fasern am Hut, die dem Pilz seinen Namen geben. Ein weiteres typisches Merkmal ist das Zerfließen des Hutes in eine tintenartige Flüssigkeit bei älteren Exemplaren. Diese findest du oft in der Nähe.
Wie oben erwähnt solltest du den Schopftintling auf keinen Fall mit dem giftigen Faltentintling verwechseln. Obwohl sie sich etwas ähneln, haben diese Giftpilze nicht die haarähnlichen Fasern und sind etwas gräulicher.
Verwende beim Sammeln ein scharfes Messer, um den Pilz nahe am Boden abzuschneiden. Vermeide es, die Wurzeln oder das Myzel zu beschädigen. So förderst du das Nachwachsen der Pilze.
Die gesammelten Pilze kannst du in einem luftigen Korb oder einer Papier- oder Baumwolltüte transportieren. Plastiktüten sind hier nicht so sinnvoll, weil sich darin Kondenswasser bildet. Davon werden sie matschig.
Schopftintlinge in der Küche
Die frisch gesammelten Pilze solltest du sofort verarbeiten. Sonst kann es sein, dass du nur noch Tinte vorfindest … 😉
Wichtig: rötliche oder schwarze Teile am Pilz sind nicht mehr genießbar. Nur wirklich frische, weiße Pilze verarbeiten!
Zum Reinigen, vorsichtig mit einer weichen Bürste oder einem Tuch den Schmutz entfernen. Waschen solltest du sie nur kurz, weil sie viel Wasser aufnehmen können.
Gebraten – als Beilage
Die Pilze dafür in Scheiben schneiden und in etwas Butter oder Olivenöl braten, bis sie goldbraun sind. Gewürzt mit Salz, Pfeffer und einer Prise Knoblauchpulver, sind sie eine perfekte Beilage zu Fleischgerichten oder ein leckerer Bestandteil in vegetarischen oder veganen Burgern.
Cremesuppe
Zuerst Zwiebeln, Karotten und Sellerie leicht anbraten. Wenn das Gemüse weich ist, die geschnittenen Schopftintlinge dazugeben und alles ein paar Minuten garen lassen. Mit Gemüsebrühe ablöschen und die Suppe etwa 20 Minuten köcheln lassen.
Anschließend mit einem Stabmixer pürieren und mit Sahne verfeinern. Für zusätzlichen Geschmack kannst du etwas frisch geriebenen Parmesan unterrühren. Diese Suppe ist super cremig und hat ein tiefes, erdiges Aroma.
Risotto
Auch hier zuerst die fein gehackten Zwiebeln in einer Mischung aus Butter und Olivenöl anbraten. Arborio-Reis hinzufügen und ihn leicht anrösten. Dann mit Weißwein ablöschen.
Nach und nach warme Hühner- oder Gemüsebrühe hinzufügen und ständig rühren. In den letzten fünf Minuten der Kochzeit die vorbereiteten Schopftintlinge unterheben. Mit frisch geriebenem Parmesan und ein etwas Butter vor dem Servieren abrunden für extra Cremigkeit und Geschmack.
Als Beilage zu Pasta
Als Pasta nimmst du am besten Tagliatelle oder Pappardelle – und zwar al dente. 😉
In einer separaten Pfanne Olivenöl erhitzen, Knoblauch und frische Kräuter wie Thymian leicht anschwitzen. Dann die Schopftintlinge dazugeben und alles zusammen braten, bis die Pilze ihre Feuchtigkeit verloren haben. Die gekochte Pasta in die Pfanne geben, gut umrühren und mit Salz und frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer abschmecken.
Ein Schuss Sahne oder ein paar Löffel vom Pastawasser kannst du am Schluss dazugeben, um die Soße sämiger zu machen.
Historische Tinte
Der Schopftintling wurde früher zur Herstellung von Tinte genutzt.
Die fast schwarze Flüssigkeit wurde dafür zuerst gefiltert, um feste Pilzrückstände zu entfernen. Anschließend konnte sie mit Zusätzen wie Gummi Arabicum verdickt und mit ätherischen Ölen angereichert werden, um die Tinte duftend und haltbar zu machen.
Diese Art von Tinte war besonders lange lesbar. Das war für die Herstellung von Dokumenten und Kunstwerken sehr wertvoll.
Tipp!
Du kannst auch selbst Tinte aus den gesammelten Pilzen herstellen. Hier eine Anleitung:
Lege 4–5 Schopftintlinge für etwa drei Tage in eine Schüssel.
Sobald sich die Pilze zersetzen, sammelt sich eine schwarze Flüssigkeit. Diese Flüssigkeit musst du durch ein Sieb gießen, um alle festen Bestandteile zu entfernen.
Um die Tinte zu verdicken, löse einen gestrichenen Teelöffel Gummi Arabicum in 20 ml Wasser auf und mische es gut durch, bis es breiig wird. Diesen Brei gibst du dann schrittweise zur Tinte, um die gewünschte Dicke zu erreichen.
Ein paar Tropfen von einem ätherischen Öl wie Wacholder, Nelke, Lavendel oder Salbei geben deiner Tinte einen angenehmen Duft und helfen außerdem dabei, sie zu konservieren.
Am besten bewahrst du sie im Kühlschrank auf.
Und vor dem Gebrauch bitte schütteln… 🙂
Ein Multitalent – Nutzung in Medizin und Forschung
Zum Schluss noch ein paar zusätzliche Talente, die dieser Pilz hat.
Studien haben gezeigt, dass der Schopftintling wirksame antidiabetische und antioxidative Eigenschaften besitzt. Zum Beispiel wurde in einer Studie der Einfluss von Extrakten dieses Pilzes auf Diabetes Mellitus untersucht. Bei Diabetes Typ I und II wurden dabei Verbesserungen im Blutzuckerspiegel festgestellt.
Auch in der traditionellen Medizin wird der Schopftintling schon seit Jahrhunderten verwendet. Zur Behandlung von Hämorrhoiden über Verstopfung bis zur Förderung der Verdauung. Sogar zur Reduktion unkontrollierter Gewichtszunahme und als unterstützende Wirkung bei der Tumorbekämpfung wird der Pilz hier eingesetzt.
Neuere Studien haben auch das Potenzial von Schopftintling-Extrakten in der Onkologie – also der Wissenschaft, die sich mit Krebs und Co. befasst – hervorgehoben. Hier geht es besonders um die Behandlung von Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Die Forschung untersucht vor allem, wie der Pilz Nervenzellen schützt, und Schäden durch oxidativem Stress reduziert. Das ist nämlich für die Stärkung des Immunsystems essenziell.
Und in der Biotechnologie wird der Schopftintling als Bioakkumulator in kontaminierten Böden erforscht. Der Pilz hat nämlich die Fähigkeit, Schwermetalle aufzunehmen und abzubauen. Das könnte bei der Sanierung von belasteten Standorten hilfreich sein.
Unglaublich, wofür die kleinen Wuschelköpfe doch alles gut sind! 😉
Wir wünschen dir auf jeden Fall viel Spaß beim Sammeln!
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